Fachliche Grundlagen sichern
Strategische
Kerngruppe: Fachliche Grundlagen sichern AufgabenInternes Wissen einbinden Zugang zu externem Wissen sicherstellen Personelle Kapazitäten ausbauen Auf heterogene Zusammensetzung achten FragenWelches Wissen wird benötigt (fachliches Wissen, Verwaltungswissen, Erfahrung mit politischen Prozessen etc.)? Verfügt die strategische Kerngruppe selbst über ausreichend Fachwissen? Wie lassen sich interne Kompetenzen und internes Wissen systematisch einbinden? Welche Zugänge zu externem Wissen gibt es? Wie können diese genutzt und erweitert werden? Eine strategiefähige Kernexekutive zeichnet sich durch eine ausgeprägte Innovationskultur aus. Es darf keine Denkverbote geben. Je offener die Strukturen sind, je unterschiedlicher die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, desto mehr Perspektiven
bieten sich bei der Suche nach Lösungen. So wird ein kreatives Umfeld geschaffen, das die Arbeit an den Reformen erleichtert. Wichtig ist dabei, in langfristigen Perspektiven zu denken. Die Basis jeder Reform ist das Wissen – um
die Sache selbst, aber auch um die Prozesse und Strukturen. Deshalb sollten Träger von Sachwissen, aber auch Kenner der politischen Prozesse in der Kernexekutive versammelt sein. Dies ist umso wichtiger, je komplexer die Materie
ist.
In vielen Fällen wird es dabei auch notwendig sein, auf Expertise von außen zurückzugreifen. Das kann sach- wie auch machtlogisch Vorteile haben: Ein Expertenrat von außen kann leichter auf Missstände hinweisen und »politisch unkorrekte«
Überlegungen äußern. Damit diese Gedanken aber eine Chance auf Gehör haben, müssen in derartigen Fällen der externe Ratgeber und die Mitglieder der Kernexekutive sehr eng – im Voraus abgestimmt und ohne Öffentlichkeit und Profilierungsallüren
– handeln. Ansonsten werden die Vorschläge im Sturm der erwartbaren öffentlichen Erregung zerredet.
Auch deshalb ist es so wichtig, dass die Mitglieder der strategischen Kerngruppe eine sehr hohe persönliche Kompetenz und konzeptionelle Qualitäten sowie Steuerungs- und Koordinierungskompetenz mitbringen. Und sie sollten Mut und Initiative
zeigen, sich gegen Widerstände durchzusetzen. Wie überall, so gilt auch hier: Zu viele Häuptlinge und zu wenige Indianer können keinen Krieg führen. Sogenannte Alphatiere entscheiden allein, aber kluge Alphatiere lassen sich vorher
ausreichend beraten, und dafür ist das Kernteam unter anderem auch da. Ein Beispiel ist der amerikanische Präsident Barack Obama: Die Mitglieder des Kernteams können – und sollen – intern Kritik und Widerspruch äußern, um so die
Qualität der Entscheidung zu verbessern. Die Entscheidung selbst trifft dann der Chef, Obama persönlich.
Kommunikationskapazitäten stärken
Strategische
Kerngruppe: Kommunikationskapazitäten stärken AufgabenKommunikative Ressourcen und Kompetenzen anpassen Kommunikation und Dialog abstimmen FragenVerfügt die strategische Kerngruppe über ausreichend Ressourcen für die Kommunikation? Verfügt die strategische Kerngruppe selbst über genügend Kommunikationswissen und -erfahrung? Gibt es feste Kommunikationskanäle, die den Informationsfluss nach innen und außen sicherstellen? Hat sich die strategische Kerngruppe auf einheitliche Kernbotschaften geeinigt? Sind die Instrumente der Kommunikation inhaltlich und zeitlich aufeinander abgestimmt? Gibt es Feedback-Mechanismen? In der strategischen Kerngruppe muss es auf jeden Fall Mitglieder geben, deren Aufgabe die Kommunikation nach innen und nach außen ist. Beides ist wichtig. Und beides ist keinesfalls mit PR zu verwechseln. Führt die politische Kommunikation
an einen Punkt, wo »spin doctors« die Herrschaft übernehmen und die politische Botschaft anstelle politischer Inhalte tritt, so wird das in der Regel schnell von der Öffentlichkeit durchschaut – und sanktioniert. Die Folge sind Vertrauens-
und Zustimmungsverluste bis hin zu öffentlicher Unterbewertung tatsächlicher politischer Erfolge oder sogar ein Scheitern der Reform.
Die Kommunikation wird umso schwieriger, je mehr Akteure involviert sind. Auf Bundesebene und in Koalitionskonstellationen ist sie zweifellos am kompliziertesten. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist auch dafür bekannt, eine Meisterin
des Telefons zu sein. Normalerweise verbringt sie am Sonntagnachmittag mehrere Stunden damit, die Themen der kommenden Woche mit Parteifreunden und anderen wichtigen Akteuren telefonisch zu besprechen. Hier kann schon die Reihenfolge
der Telefonate wichtig sein, um möglichst viele Informationen zu gewinnen und ihrerseits Botschaften an die Akteure am anderen Ende der Leitung zu vermitteln. Politische Führungsfiguren wissen, wie wichtig es ist, nach draußen eine
einheitliche »Kommunikationsfront« zu bieten. Aber selten verstehen sie, dass sie auch ihren Apparat über Binnenkommunikation mitnehmen müssen, damit Reformansätze und der Reformkern intern ebenfalls durchsetzbar werden und bleiben.
Die Außenkommunikation sollte unter professioneller Leitung stattfinden. Egal, ob ein Politiker selber kommuniziert oder »über Bande« andere für sich sprechen lässt, es bedarf immer einer Kommunikationsstrategie und eines Verantwortlichen
hierfür.
Durchsetzungsfähigkeit sichern
Strategische
Kerngruppe: Durchsetzungsfähigkeit sichern AufgabenMachtpolitisch wichtige Akteure einbeziehen Mit Stakeholdern vernetzen Entscheidungsprozesse planen FragenWelche Akteure verleihen der Reform mehr Durchsetzungskraft und sollten deshalb in der strategischen Kerngruppe mitwirken? Gibt es einflussreiche Institutionen, mit denen sich eine Kooperation oder Vernetzung lohnt? Wie werden Stakeholder berücksichtigt? Gibt es Positionen in der Öffentlichkeit, die die Durchsetzung gefährden? Welche Akteure müssen unbedingt gewonnen werden? Wie werden formale Entscheidungsprozesse erfolgreich koordiniert? Strategische Politik, die perspektivisch angelegt ist, braucht Rückzugsorte. Nur durch Auszeiten von der Dauerbeobachtung durch die Medien können innovative und langfristige Denkmuster entwickelt und zukunftsfähige Reformvorhaben kritisch
durchdacht werden. Diese Rückzugsorte müssen sehr sorgfältig organisiert werden, damit die zentralen Akteure wirkungsvoll und strategisch agieren können.
Hier finden sich die Entscheider und ihre engsten Berater zusammen. Sie konzipieren langfristige Strategien, denken über Alternativen nach und kalkulieren die Umsetzungschancen. Ihre Arbeit unterliegt zumindest teilweise der Geheimhaltung.
Das bringt die Kerngruppe in ein Dilemma, weil manche Aspekte und oft sogar die Grundzüge der Reformen in dieser exklusiven Gruppe ohne Miteinbeziehung der Fraktion bzw. der Partei erörtert werden müssen.
Eine Reform in der strategischen Kerngruppe zu planen und deren Umsetzung strategisch anzugehen bedeutet deshalb immer auch, die Durchsetzung in verschiedenen Abstufungen (z. B. Fraktion–Partei; Ressorts–Kabinett; Stadtverwaltung–Partei)
und Zeitphasen mitzudenken.
Zukunftsthemen aufgreifen
Agenda-Setting: Zukunftsthemen aufgreifen AufgabenReformbedarf frühzeitig identifizieren Reforminhalte analysieren Reformrichtung klären FragenWie ist der Stand der aktuellen wissenschaftlichen Debatte? Welches sind die langfristigen Trends aus Sicht der Wissenschaft? Welches interne Wissen liegt zu einem Thema bereits vor? Wie ist die Haltung der eigenen Fraktion und Partei zu einem Thema? Wie sehen die Interessen der Bevölkerung aus, wie die der Lobbygruppen? Berührt der Reforminhalt grundlegende (kontroverse) gesellschaftliche Überzeugungen? An welcher Stelle kann es zu Zielkonflikten kommen? Welche Risiken und welcher Handlungsdruck bestehen? Spitzenpolitiker sind immer in Zeitnot. Dieses eherne Gesetz gilt, egal ob es sich um Bund, Länder oder Kommunen handelt. Reformen aber brauchen viel Zeit, Aufmerksamkeit und Planung. Und Themen für Reformen gibt es überall.
Deshalb ist die Konzeption von entscheidender Bedeutung. Ein Spitzenpolitiker wird nicht alles, was er will, reformieren können. Im besten Fall werden eine, maximal zwei Reformen mit der Lebensleistung eines Politikers verknüpft: die
Wiedervereinigung mit Kanzler Helmut Kohl, die Agenda 2010 mit Gerhard Schröder, die Riester-Reform mit Walter Riester, die »Rente mit 67« mit Franz Müntefering, das Elterngeld mit Ursula von der Leyen.
Für alle Reformen gilt, dass die Erfolgsaussichten deutlich steigen, wenn bereits der Konzeptionsprozess strukturiert vor sich geht. Das beginnt damit, den Reformbedarf zu identifizieren.
Handelt es sich bei dem Reformthema um eines, das von der Öffentlichkeit schon breit diskutiert wird? Oder geht es um etwas, für das das Problembewusstsein erst noch geschaffen werden muss? Öffnet sich durch die aktuellen Entwicklungen ein Reformfenster, das nun genutzt werden kann? Oder drängt eine Interessengruppe intern auf die Reform für ein Thema, das nur einen Teil der Bevölkerung überhaupt beschäftigt? Ist der Reformbedarf dahingehend identifiziert, sollte als nächster Schritt das Umfeld analysiert werden. Politische Problemstellungen sind komplex und vielschichtig. Ihre volle Tragweite lässt sich nur erfassen, wenn die sachlichen,
zeitlichen, räumlichen und sozialen Dimensionen untersucht werden.
Um was geht es eigentlich? Wie lange braucht die Reform? Ist sie lokal begrenzt, oder sind andere Regionen, andere Bundesländer, vielleicht sogar andere Staaten tangiert? Ist sie lokal begrenzt, oder sind andere Regionen, andere Bundesländer, vielleicht sogar andere Staaten tangiert? Strategiefähige Politik zeichnet sich dadurch aus, dass die Reformakteure mit interner und externer Expertise kausale Zusammenhänge aufdecken, künftige Entwicklungen zu bestimmen suchen, sich eine klare Vorstellung von der Reichweite
der zu lösenden Probleme verschaffen und den Grad der Betroffenheit ungefähr abschätzen können.
Ist diese Analyse erledigt, sollte geklärt werden, in welche Richtung die Reform geht.
Wie ist die Stoßrichtung? Welche sind die übergeordneten Leitziele? Was ist der Handlungsrahmen? All dies sollte fachlich abgesichert sein und sich mit den Grundorientierungen und Werten der wichtigen Reformunterstützer decken. Eine zentrale Rolle spielen dabei dann auch die Partei und ihre jeweiligen Funktionärsschichten.
Reformbereitschaft fördern
Agenda-Setting: Reformbereitschaft fördern AufgabenKommunikationskonzept erarbeiten, um Problembewusstsein zu schaffen, Deutungsmuster zu etablieren und Leitideen zu kommunizieren FragenKnüpft die Reformkommunikation an den Basisüberzeugungen der eigenen Partei an? Sind die eigene Partei und die Fraktion informiert? Wird das Reformthema bereits in der Öffentlichkeit diskutiert oder muss erst noch Problembewusstsein geschaffen werden? Wie können Bürger, Medien und auch Umsetzungsakteure für das Reformthema sensibilisiert werden? Welche Medien oder inhaltliche Multiplikatoren können als Reform-Unterstützer gewonnen werden? Welche wissenschaftlichen Argumente lassen sich kommunikativ wie nutzen? Welche Zahlen, Daten, Fakten, Kosteninformation beeinflussen die öffentliche Debatte? Nimmt die Reform Bezug auf gesellschaftliche Diskussionen und übergeordnete Wertvorstellungen? Werden die positiven Reformwirkungen nach vorne gestellt? Egal, wie logisch und sachlich notwendig eine Reform ist: Sie wird nicht erfolgreich sein, wenn sie nicht mehrheitsfähig ist. Deshalb ist es wichtig, schon in diesem frühen Stadium des Agenda Settings auf die Kommunikation zu achten,
um die Reformbereitschaft zu fördern. Wenn nicht schon vorhanden, bedeutet das, ein ausgeprägtes Problembewusstsein zu schaffen.
Ist ein Problembewusstsein vorhanden, gilt es, zustimmungsfähige Deutungsmuster zu etablieren und die eigenen Leitideen klar zu kommunizieren.
Ersteres wird manchmal auch »Agenda-Building« genannt. Dabei ist es entscheidend, nach innen und außen zu kommunizieren. Es nützt nichts, die Bevölkerung nach und nach für ein Thema zu sensibilisieren, wenn die eigene Partei und Fraktion
nicht mitgeht. Dies war bei der Steuerreform der Regierung Kohl beispielsweise der Fall. Innerhalb der Kernexekutive gab es unterschiedliche Einschätzungen zur Notwendigkeit einer Mehrwertsteuererhöhung. Sie wurden nach außen getragen.
In der Öffentlichkeit entstand so der Eindruck, das Ganze sei nicht notwendig (Fischer, Kießling und Novy 2008: 38).
Nicht jedes Thema kann erfolgreich auf die Agenda gesetzt werden. Die »richtige« Themenwahl hängt von vielen Faktoren ab: dem Inhalt, dem Zeitpunkt, den Aufmerksamkeitszyklen der Medien und nicht zuletzt von den kommunikativen Strategien
des politischen Gegners.
Manchmal kann es deshalb sinnvoll sein, auf bereits existierende öffentliche Diskurse aufzuspringen. »Agenda-Surfing« nennen das die Politologen. Auch hier eine Einschränkung: Ist die öffentliche Debatte wirklich breit genug – und
wird sie von den »richtigen« Zielgruppen geführt? Der Politologe Frank Nullmeier argumentiert, dass die öffentliche Debatte, die der Agenda 2010 vorausging, vor allem unter Wirtschaftsliberalen geführt wurde. »Wie sich zeigen sollte,
hatte sie [die Regierung] damit aber auf das ›falsche Pferd‹ eines Eliten- und Teilgruppendiskurses gesetzt, der in keiner Weise die Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung widerspiegelte« (Fischer, Kießling und Novy 2008: 39).
Eine weitere wichtige Aufgabe in diesem Themenfeld ist es, Deutungsmuster festzulegen. Gesellschaftliche Realitäten sind mehrdeutig. Die Betrachter und Berichterstatter müssen sich notgedrungen einige Teilaspekte herausgreifen. Bei
der Gesundheitsreform waren dies beispielsweise vor allem Fragen der Finanzierung. Aus Sicht der Medien – und der politischen Konkurrenz – war das plausibel, denn es ging um die Geldbörsen der Menschen. Dies allerdings produzierte
fast nur Negativschlagzeilen, gegen die die Reformakteure kaum ankamen.
Hätten sie stattdessen versucht, die angestrebten Qualitätsverbesserungen der Reform in den Vordergrund zu stellen, wäre die Diskussion möglicherweise anders verlaufen. Im Nachhinein lässt sich konstatieren, dass es ein Versäumnis
war, kein Deutungsmuster vorzugeben.
Natürlich ist es nicht möglich, zu jedem Thema Deutungsmuster vorzugeben. Denn bei vielen drängenden Fragen hat sich die Bevölkerung längst eine Meinung gebildet. Dennoch ist es selbst hier immer mal wieder möglich, Deutungsmuster
umzuändern. So hat der Einsatz der einfach verständlichen Alterspyramide geholfen, dass die Bevölkerung die Dimension der Alterung besser versteht. Die Rentenreform wurde dadurch zwar nicht beliebter, aber manche sahen doch wenigstens
ihren Nutzen theoretisch ein (auch wenn sie emotional noch immer dagegen waren).
An dieser Stelle beginnt die dritte zentrale Kommunikationsaufgabe beim Agenda Setting: die Entwicklung und Vermittlung überzeugender Leitideen. Für sie gilt ganz besonders, was für gute Kommunikation immer gilt: je kürzer, desto einprägsamer.
Drei Worte, maximal ein Satz. »Yes, we can« – der Schlachtruf des damaligen demokratischen Präsidentschaftsbewerbers Barack Obama dürfte auf absehbare Zeit das Paradebeispiel sein. »It's the economy, stupid!« war die Kernaussage,
mit der Bill Clinton ins Weiße Haus einzog. Auch ist es unglaublich hilfreich, eine »Geschichte« erzählen zu können. Dieses sogenannte »storytelling« macht die Kernidee der Reform noch glaubhafter, und vor allem bringt es sie näher
an die Lebensrealität der Menschen.
Erfolgsaussichten kalkulieren
Agenda-Setting: Erfolgsaussichten kalkulieren AufgabenGelegenheitsfenster identifizieren Profilierungschancen bestimmen Verhandlungskorridore abstecken FragenÖffnet sich durch eine aktuelle Entwicklung ein Reformfenster, das genutzt werden kann? Ist die Öffentlichkeit ein wichtiger Stakeholder, oder ist sie nur begrenzt interessiert? Was machen andere Akteure? Welche Interessen und Konzepte verfolgen sie? Wie gewinnt die Reform zusätzliche Unterstützer? Birgt die Besetzung eines Zukunftsthemas ausreichend Profilierungspotenzial für Akteure und Partei? Welche Möglichkeiten haben potenzielle Gegner, um die Reform zu torpedieren? Wie konfliktreich ist das Reformthema? Wie könnte es Gegnern gelingen, die Öffentlichkeit gegen die Reform zu mobilisieren? Wie breit sind die Verhandlungskorridore, und wie stehen die Chancen, einen Reformerfolg zu erzielen? Wo liegt die Schmerzgrenze für eigene Kompromisse? Gibt es Ausstiegsszenarien? Es mag manche Reformen geben, die dem Reformer so sehr am Herzen liegen, dass er versuchen wird, sie »durchzudrücken« – komme, was wolle. Manchmal gelingt das auch, wenn jemand bereit ist, über lange Zeit immer wieder »dicke Bretter«
zu bohren.
In jedem Fall ist es sinnvoll, sich Gedanken über die Erfolgsaussichten einer Reform zu machen. Vier Fragen stellen sich:
Ist die Reform ein Bestandteil meiner politischen Grundüberzeugungen, auf denen meine politische Identität beruht? Ergibt sich ein zeitliches Gelegenheitsfenster, innerhalb dessen besonders günstige Rahmenbedingungen herrschen? Birgt die Besetzung eines Zukunftsthemas ausreichend und das richtige Profilierungspotenzial für Akteure und Partei? Wie breit sind die Verhandlungskorridore, die zur Verfügung stehen, um einen Reformerfolg zu erzielen? Vor allem der Beginn einer Legislaturperiode eignet sich als Fenster für Reformen. »Honeymoon-Effekt« nennen die Wissenschaftler das: Gerade zu Beginn einer Amtszeit haben die Regierenden einen Vertrauensbonus, der für Reformen genutzt
werden kann. Auch die Verabschiedung des Haushaltes kann ein geeigneter Zeitpunkt sein. Arbeitsminister Walter Riester hat seine Rentenreform ins zweite Regierungsjahr gelegt. So hatte er ausreichend Zeit, sie durchzuführen.
Wichtig ist auch, auf die Pendelschwünge der Politik zu achten. Auf eine lange Periode der Ruhe folgen oft Zeiten der Wechselstimmung, die Reformen erleichtern können. Die Bürger assoziieren mit dem Begriff »Reform« Verlust und Kosten,
nicht Chance und Verbesserung. Deshalb hat eine Reform gegen eine festgeprägte Meinung der Bevölkerung selten Chancen und nutzt den Reformern nicht zum Machterhalt. Wem es gelingt, den verbrannten Reformbegriff durch strategische
Herangehensweise positiv zu wenden, der hat größere Aussichten auf Erfolg. Es gilt also Gelegenheitsfenster (in der öffentlichen Meinung) zu identifizieren oder zu initiieren.
Damit sind wir bei den Profilierungschancen, die eine bestimmte Reform mit sich bringt. Manche Themenstellungen sind politisch besonders aussichtsreich, weil eigene Kernkompetenzen und Profilierungschancen im Einklang sind. Bei anderen
gibt es die Gefahr, einen Teil der eigenen Klientel zu verprellen. So sollten in dieser Hinsicht die inhaltlichen Durchsetzungschancen gegenüber Wählern, Referenzgruppen, der eigenen Partei und dem Koalitionspartner abgewogen werden.
Oft müssen Kompromisse gefunden werden. Deshalb bietet sich ein frühzeitiger Blick auf die möglichen Verhandlungskorridore an.
Wo liegen die Schmerzgrenzen der eigenen Kompromissbereitschaft? Welche Möglichkeiten haben die potenziellen Gegner, die Reform zu torpedieren? Gibt es formale Vetorechte? Wie könnte es den Gegnern gelingen, die Öffentlichkeit gegen die Reform zu mobilisieren? Welche Bündnisse kann und muss ich eingehen, um einen (Teil-)Erfolg zu haben, und welche Zeitabfolge (Sequenzierung) von Reformschritten ist notwendig, um die Verhandlungskorridore zu erweitern? Diese Lageanalyse ist notwendig, um sich Klarheit über den weiteren Kurs der Reform zu verschaffen. Schon beim Agenda Setting sollten die Verhandlungsspielräume ausgelotet, die Kompromisspotenziale sondiert und erste Grenzen der eigenen
Verhandlungsbereitschaft definiert werden. So entsteht eine allmähliche Klarheit über die politischen Schnittmengen der Akteure. Das kann dann genutzt werden, um Minimal- und Maximalpositionen festzulegen. Damit lässt sich der äußere
Rahmen der Reform präzisieren.
Reformkonzept formulieren
Formulierung &
Entscheidung: Reformkonzept formulieren AufgabenHandlungsoptionen klären Lösungsalternativen bewerten Reformfahrpläne entwerfen FragenWie wurde ein bestehendes Problem in anderen Ländern gelöst? Welche Meinung haben Experten und Umsetzungsakteuren zu der Reform? Wie sieht die Faktenlage aus? Sind Wirksamkeitstests sinnvoll und möglich – z. B. in Form von Pilotprojekten? Welche Handlungsoptionen und alternative Lösungen gibt es? Was spricht für eine „große Reform“, was für eine Reform in kleinen Schritten? Ist die Zeitplanung realistisch? Wer Reformen mithilfe des Strategie-Kompasses plant, wird es mit der Formulierung leichter haben. Denn schon mit dem Agenda Setting wurde darüber gesprochen, wie die Reform aussehen soll. Nun geht es darum, die Ziele der Reform festzulegen
und einen Fahrplan zu entwerfen. Manchmal kann es sinnvoll sein, die Reform in einzelnen Schritten auszuführen – also etwa zuerst den Haushalt zu konsolidieren, um dann glaubhaft eine Steuerreform umsetzen zu können.
Das ist umso wichtiger, als es in dieser Phase auch darum geht, die für die Reform notwendige Zustimmung aufzubauen. Zustimmung, im weitesten Sinne Vertrauen, ist sowohl Voraussetzung als auch Mittel und Ziel erfolgreicher Reformpolitik.
Sie ist unerlässlich für das Gelingen von Reformen. Und Zustimmung muss nach innen wie auch nach außen aufgebaut werden.
Vertrauen aufbauen
Formulierung &
Entscheidung: Vertrauen aufbauen AufgabenGlaubwürdigkeit vermitteln Klare und positive Reformsprache einsetzen Realistische Erwartungen erzeugen Dialog etablieren FragenWann ist der geeignete Zeitpunkt für die Kommunikation bestimmter Inhalte/Themen? Wie lassen sich Partei und Mitarbeiter ins Boot holen? Ist die Reformsprache positiv? Werden Reformgewinne und Gewinner herausgestellt? Werden die Reformpläne als bestmögliche Lösung dargestellt und begründet? Wird klar gesagt, was möglich ist, was sich ändert und was nicht? Werden neben dem Gesamtziel auch die Etappenziele kommuniziert? Sollen Bürger beteiligt werden und wenn ja in welcher Form? Zustimmung und Vertrauen können nur entstehen, wenn die Handelnden als glaubwürdig eingestuft werden. Sie sollten ihre Gesprächspartner ernst nehmen – und ihnen klar sagen, wo die geplanten Reformen für Stabilität und Sicherheit sorgen
und wo sie Wandel mit sich bringen. So sind von der »Rente mit 67« beispielsweise vor allem die Menschen ab dem Geburtsjahrgang 1960 betroffen. Sie werden erst in zwei bis drei Jahrzehnten die Auswirkungen der Reform dahingehend
spüren, dass sie bis zu 24 Monate länger arbeiten müssen. Doch debattiert – und kritisiert – wurde die Reform fast ausschließlich von Menschen, die demnächst in Rente gehen oder schon in Rente sind. Sie aber sind gar nicht von der
Reform betroffen. Ganz im Gegenteil – die Reform soll die Stabilität ihrer Rentenzahlungen sichern. Das jedoch wurde weder kommuniziert noch von den Menschen verstanden. Und so fehlte es an elementarem Vertrauen in diese Reform.
Es mangelte an Zustimmung.
Ganz besonders schadet es der Glaubwürdigkeit von Reformen, wenn voreilige, nicht einlösbare Versprechungen gemacht werden. Das mag einen kurzfristigen Nutzen haben. Doch der zu erwartende Vertrauensverlust steht in keinem Verhältnis
dazu – und er ist nicht mehr reparabel. Es ist deshalb außerordentlich wichtig, mit dem Reformversprechen nur realistische Erwartungen zu erzeugen.
Das ist einer der Gründe, warum die ständigen Gesundheitsreformen in der Bevölkerung nur noch wenig Beachtung finden. Fast immer wird versprochen, dass die Reformen die Beitragssätze stabilisieren sollen – und fast immer wird dieses
Versprechen gebrochen. Stattdessen wäre es wahrscheinlich sinnvoller, auf andere Reformaspekte abzuheben, wie etwa die Qualität der Versorgung.
Mehrheiten sichern
Formulierung &
Entscheidung: Mehrheiten sichern AufgabenEntscheidung für ein durchsetzbares Reformkonzept treffen Verhandlungsstrategie bestimmen Bündnispartner und Öffentlichkeit gewinnen Politischen Entscheidungsprozess managen FragenHat sich die Regierung auf einen Reformentwurf verständigt? Wurde der formale Gesetzgebungsprozess geplant? Helfen schnelle Erfolge dabei Unterstützer zu gewinnen? Wurde den zentralen Entscheidern angeboten, mitwirken und sich profilieren zu können? Wurde festgelegt, ob Verhandlungen konflikt- oder konsensorientiert geführt werden? Lassen sich potenzielle Reformgewinner und Öffentlichkeit mobilisieren? Können Reformgegner umgestimmt werden? Sind alle Umsetzungsakteure mit an Bord? Damit kommen wir zur Königsdisziplin des Reformers: dem Sichern von Mehrheiten. Das ist in der deutschen Verhandlungs- und Koalitionsdemokratie ganz besonders schwierig. Politische Entscheidungen sind sehr viel stärker von Interessenkonstellationen
und der Machtverteilung zwischen den beteiligten Akteuren bestimmt als von rationaler Alternativenauswahl.
Der Reformer und sein Kernteam müssen sich drei strategischen Steuerungsaufgaben stellen. Sie brauchen eine geeignete Verhandlungstaktik, die flexible Strategiewechsel im Laufe des Prozesses ermöglicht. Nur so kann ein möglichst breites
Feld potenzieller Bündnispartner erschlossen werden. Und schließlich geht es darum, ein hohes Maß an öffentlicher Zustimmung für die Reformen zu mobilisieren.
Relativ selten wird in Deutschland ein konfliktorientierter Verhandlungsstil ausgewählt. Er führt dazu, dass der Verhandlungspartner nur »Ja« oder »Nein« sagen kann. Konfliktorientiert kann allerdings nur derjenige verhandeln, der
über genügend Macht und Rückhalt verfügt. Manchmal wird dazu die »divide et impera«-Strategie eingesetzt, wobei einzelne Subgruppen unter den Verhandlungspartnern durch Zugeständnisse für die Reform gewonnen werden.
Weiter verbreitet in Deutschland ist der konsensorientierte Verhandlungsstil. Er steht für Verhandeln im eigentlichen Sinn. Dabei bieten die Reformakteure Kompensationen an, um ihre Verhandlungspartner für die Sache zu gewinnen. Das
führt allerdings fast immer zur Verwässerung der Konzepte. Reformakteure sehen sich dann dem öffentlichen Vorwurf ausgesetzt, sie seien aufgrund ihrer Verhandlungsschwäche auf eine Politik des Kuhhandels, der Flickschusterei und
des halbherzigen Formelkompromisses angewiesen. Jenseits der oft hohen Kosten dauert diese Art des Verhandelns auch sehr lange.
Eine Alternative ist deshalb der problemorientierte Verhandlungsstil. Hier steht sach- und wahrheitsorientiertes Argumentieren im Vordergrund. Vor allem auf der lokalen Ebene ist er gut einsetzbar, da die von der Reform zu lösenden
Probleme hier allen Beteiligten sehr klar ersichtlich sind. Problemorientiertes Verhandeln bietet sich vor allem dann an, wenn es nicht um Verteilungskonflikte geht.
Je schneller die Bürgerinnen und Bürger erste Verbesserungen durch die Reformen spüren, desto erfolgreicher wird die Reform sein. Leider werden kurzfristig eintretende Reformverluste wesentlich stärker wahrgenommen als langfristig
anstehende Reformgewinne. Über diese Grundregel muss sich jeder Reformer im Klaren sein. Lassen sich gesellschaftliche Veränderungen nur in Verbindung mitsolchen kurzfristigen Verlusten realisieren, so müssen die drohenden Abwehrreaktionen
in der Öffentlichkeit durch frühzeitiges Erwartungsmanagement abgefangen werden.
Ergebnisqualität sichern
Umsetzung: Ergebnisqualität sichern AufgabenWirkung sicherstellen Umsetzungsschritte festlegen Geeignete Steuerungsinstrumente wählen FragenWurden das zentrale Wirkungsziel der Reform und die Umsetzungsmaßnahmen konkret bestimmt? Wie lassen sich einzelne Maßnahmen und Leistungen mit den Alltagsbedürfnissen der Bürger abstimmen? Verfügen die Umsetzungsakteure über genügend Ressourcen? Können auch Schwierigkeiten umgehend beseitigt werden? Gibt es detaillierte Zeitpläne, Budgets und Entscheidungsregeln? Wurden Instrumente zur Steuerung ausgewählt? Gibt es irgendwelche Ge- und Verbote oder finanzielle Anreize? Das ist zugegeben sehr kompliziert, weil die Auswirkungen von Reformen sich oft erst auf lange Sicht zeigen. Ursache und Wirkung sind nur selten klar auszumachen. Meist gibt es die unterschiedlichsten Einflussfaktoren, die sich gegenseitig
stören oder verstärken. Und schließlich ist es oft politisch riskant, klare Ziele zu definieren: Dass Bundeskanzler Gerhard Schröder sich einst auf eine konkrete Zahl einließ, um die er die Arbeitslosigkeit reduzieren wollte, hat
ihm spätestens dann geschadet, als er sie nicht erreichte. Selbst die Bezeichnung der Hartz-Reformen als »Agenda 2010« klingt nun, da das Zieljahr erreicht ist, seltsam, weil die Reform ja keineswegs erledigt ist.
Schwierig zwar, aber außerordentlich sinnvoll ist es, Reformen vom Ende her zu denken und sie aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger heraus zu konstruieren. Welchen Einfluss haben die Veränderungsprozesse auf das Leben der
Bürger? Wie werden sie darauf reagieren?
Das kann durch Befragungen erfolgen. Eine andere wichtige Möglichkeit ist die enge Zusammenarbeit mit den Vollzugsbehörden, weil dort eventuelle Probleme am schnellsten zu sehen sind. Insgesamt steht ein breites Instrumentarium an
Steuerungs- und Umsetzungsinstrumenten zur Verfügung: Ge- und Verbote, Anreiz-Instrumente wie positive und negative finanzielle Anreize, die Bereitstellung von Leistungen wie Gütern und Dienstleistungen und auch nicht materielle
Anreize wie das Zugestehen von Teilhaberrechten. Meist wird ein Mix optimal sein. Wer es versäumt, die Ergebnisqualität seiner Reform frühzeitig zu sichern, läuft große Gefahr, dass die Reform scheitert. So wurden in den ersten Jahren
der Riester-Reform kaum Verträge verkauft, weil die Regierung den Anbietern verboten hatte, die Provisionen sofort zu kassieren. Stattdessen mussten sie auf zehn Jahre gestreckt werden. Weil sich das für die meisten Anbieter nicht
lohnte, machten sie kaum Werbung für die Riester-Policen. Erst als die Regierung dies änderte, verbesserte sich die Lage.
Wenig zielführend scheint auch die Praxisgebühr zu sein, mit der die Regierung eigentlich überflüssige Arztbesuche verhindern wollte. Tatsächlich aber sind die Deutschen inzwischen Europameister beim Praxisbesuch: Offensichtlich verärgert
diese Gebühr sie so sehr, dass sie möglichst viele Arztbesuche pro bezahlter Quartalsgebühr herausschlagen wollen. Die Reform hat also genau den gegenteiligen Effekt erreicht. Das hätte weit früher bemerkt werden können, wenn die
Reformakteure sich um eine Sicherung der Ergebnisqualität bemüht hätten.
Bürgernähe herstellen
Umsetzung: Bürgernähe herstellen AufgabenKommunikation zwischen Bürgern, Verwaltung und Politik gewährleisten Tragfähigkeit der Reform verdeutlichen Transparente Abläufe herstellen FragenVerfügen die Umsetzungsakteure über ausreichende Ressourcen und Kompetenzen, um den Bürgern Inhalte verständlich vermitteln zu können? Ist der kontinuierliche Dialog mit den Umsetzungsakteuren sichergestellt? Werden Probleme, Anregungen und Kritik mit den für die Umsetzung Verantwortlichen offen diskutiert? Werden Erfolge in Richtung Öffentlichkeit kommuniziert und dort auch als solche wahrgenommen? Werden Probleme öffentlich benannt und gleich auch Lösungen dafür vorgestellt? Die Probleme der Praxisgebühr sind sicherlich auch auf die mangelnde Kommunikation zwischen den Reformakteuren im Ministerium und bei den Ärzteverbänden und den Betroffenen, also den Patienten und Ärzten, zurückzuführen. Das Beispiel
zeigt erneut, wie wichtig die Kommunikation in jedem Stadium der Reform ist. Transparenz hilft dabei ungemein. So hat die Regierung Schröder im Zuge der Rentenreform beispielsweise beschlossen, allen Versicherten einmal im Jahr den
Stand ihres individuellen Rentenkontos mitzuteilen. Zum ersten Mal konnten die Versicherten schwarz auf weiß sehen, wie viel Rente sie später bekommen würden. Nicht wenige hat das animiert, eine Riester-Rente abzuschließen – was
ja auch von der Reform beabsichtigt wurde, die das System auf breitere Beine stellen sollte.
Umsetzungsakteure aktivieren
Umsetzung: Umsetzungsakteure aktivieren AufgabenUmgang mit relevanten Akteuren klären Klare Verantwortlichkeiten schaffen FragenHaben Stakeholder die Möglichkeit Einfluss zu nehmen? Hat die Verwaltung Handlungsspielraum für ihre Entscheidungen? Wurden alle Verantwortlichen konkret benannt und Zuständigkeiten klar geregelt? Wurden Termine, Budgets, Inhalte und Anreize festgelegt? Viele Reformen scheitern daran, dass einige derjenigen, die sie umsetzen sollen, tatsächlich blockieren. Es ist deshalb nützlich, eine Interessenlandkarte zu erstellen. Habe ich dann identifiziert, wer die Reform auf jeden Fall unterstützen
wird, kann ich diese Gruppe weiter stärken. Bei den Gegnern wäre zu überlegen, wie sie eingebunden werden können. Kann ich ihnen zum Beispiel besondere Aufgaben übertragen und sie so aufwerten?
Weiter verkompliziert sich die Umsetzung durch die föderale Struktur hierzulande: So liegt die Gesetzgebung in der Regel beim Bund, der Verwaltungsvollzug aber bei den Ländern. Doch auch auf Länderebene kommt es bei der Umsetzung immer
wieder zu gravierenden Problemen, die mit besserer Planung möglicherweise hätten vermieden werden können.
Kontrollmechanismen wirksam einsetzen
Fortlaufende
Kontrolle: Kontrollmechanismen wirksam einsetzen AufgabenGeeignete Evaluationsverfahren auswählen Prozessbegleitend evaluieren Kosten und Nutzen bewerten FragenSind die Ziele so klar formuliert, dass sie auch überprüfbar sind und Ergebnisse bzw. Wirkungen gemessen werden können? Werden Zielerreichungsgrad, Leistungen, Aufwand und Effizienz sowie Prozesse evaluiert? Gibt es einen systematischen Austausch zwischen den Umsetzungsakteuren, so dass übergreifender Handlungsbedarf erkannt wird? Erfüllen die Steuerungsinstrumente ihren Zweck und werden sie von allen akzeptiert? Eine Erfolgskontrolle ist überhaupt nur möglich, wenn von Anfang an Ziele für die Reform formuliert wurden. Das ist umso problematischer, je komplexer die Reformen sind und je mehr unterschiedlichen Einflussfaktoren sie unterworfen
sind. Auf lokaler und auf Landesebene sollte es jedoch leichter möglich sein, dies zu tun.
Klare Ziele zu setzen ist für jeden Politiker riskant. Die meisten Politiker vermeiden deshalb eine konkrete Aussage, was sie mit ihrer Reform erreichen wollen. Damit nehmen sie sich dann allerdings auch die Möglichkeit, sich mit dem
Erfolg zu schmücken.
Unbedingt notwendig für eine effektive Erfolgskontrolle ist eine solide und allgemein anerkannte Datengrundlage. Auf ihrer Basis lassen sich die erzielten Ergebnisse zuverlässig überprüfen. Will eine Stadt die Lebensqualität ihrer
Bürgerinnen und Bürger mit mehr Rad- und Wanderwegen erhöhen, so werden die Erfolgsdaten die Zahl der neu geschaffenen Wegkilometer sein. Ein Bundesland, das die Qualität der Bildung erhöhen will, nutzt möglicherweise die Zahl der
ausgefallenen Schulstunden als Indikator. Und eine bundesweite Pflegereform kann dahingehend gemessen werden, wie viele Pflegeinstitutionen bereits bewertet werden und wie sie ihre Pflegequalität über vorher definierte Zeiträume
verändern.
So ausgefeilt die Verfahren der Erfolgskontrolle auch sein mögen – wenn sie zu keinen politischen Lernprozessen führen, bleiben sie Selbstzweck. Um ihren Mehrwert zu entfalten, ist ein hohes Maß an Lernfähigkeit notwendig.
Allerdings sind dieser Lernfähigkeit in der politischen Praxis offenbar enge Grenzen gesetzt. Dies zeigt sich besonders deutlich bei der Agenda 2010. Angesichts der heftigen Kritik an ihrem Reformkurs sah sich die Regierung Schröder
veranlasst, eine Politik des unbeirrbaren Durchhaltens zu forcieren. Sie fürchtete, dass sonst der Kern der Reformen in Mitleidenschaft gezogen worden wäre (Fischer, Kießling und Novy 2008: 179).
Feedback ermöglichen
Fortlaufende
Kontrolle: Feedback ermöglichen AufgabenÖffentliche Resonanz analysieren Dialog mit relevanten Akteuren pflegen Reformergebnisse zielgruppengerecht weitergeben FragenWerden Meinungen und Verbesserungsvorschläge von Bürgern und anderen Stakeholdern systematisch eingeholt und berücksichtigt? Wie wird mit Verbesserungs- und Änderungsvorschlägen umgegangen? Werden Erfolge zielgruppenspezifisch verbreitet? Werden Misserfolge zusammen mit Verbesserungsvorschlägen kommuniziert? In welche Richtung entwickelt sich die öffentliche Debatte? Jeder und jede politisch Interessierte bewertet auf eigene Weise die Reformpolitik der jeweiligen Regierung. Dies ist meistens nicht wertfrei und nimmt auch nicht allein die sachlich-handwerkliche Qualität von Reformen in den Blick.
Es ist wichtig, dies bei der Kommunikation zu berücksichtigen.
Am besten ist deshalb, die öffentliche Resonanz auf die Reformpolitik kontinuierlich zu analysieren. Oft ist auch eine zielgruppenorientierte Kommunikation zusätzlich zur allgemeinen Ansprache der Öffentlichkeit sinnvoll. Manche Gruppen
sind von den Reformen besonders betroffen und sollten dann auch besonders über die Erfolge informiert werden.
Dies ist umso wichtiger, als die Medien die Interessen der Bürger nach ihren eigenen professionellen und inhaltlichen Grundsätzen filtern. Nicht immer sind die Medien an den gleichen Reformerfolgen interessiert wie die Regierung. Häufig
werden aus ihrer Sicht für die Regierenden eher unwichtige Punkte hochgespielt, manchmal auch als Stellvertreterkampf.
Handlungsspielräume bewahren
Fortlaufende
Kontrolle: Handlungsspielräume bewahren AufgabenFrühwarnsystem aufbauen Flexibel nachsteuern Veränderte Akteurskonstellationen berücksichtigen FragenWurden im Vorhinein Termine zur Überprüfung der Reformerfolge festgelegt? Welche Kriterien und Entscheidungsregeln sollen für die Änderung der Reformrichtung gelten? Wird der Reformprozess laufend auf mögliche Konflikte zwischen den einzelnen Akteuren sondiert? Muss ggf. die Zusammensetzung der strategischen Kerngruppe angepasst werden? Ist eine Anpassung der Durchsetzungsstrategie erforderlich? Ihre Wirkung kann die Erfolgskontrolle nur entfalten, wenn sie politisches Lernen anstößt und dies nötigenfalls zum Nachjustieren bei der Prozesssteuerung führt. Dafür benötigen die politischen Akteure dann allerdings auch Handlungsspielraum.
Reformstrategien sollten deshalb grundsätzlich so angelegt sein, dass sie Bewegungsspielräume offenhalten.
Sind die Reformakteure hingegen nicht willens zu reagieren, riskieren sie Dauerbeschuss – und letztlich den Verlust der Legitimationsbasis. Dies kann notwendig sein, wenn es sich um sehr grundlegende Entscheidungen von nationaler oder
gar internationaler Bedeutung handelt. Es gibt nur wenige Reformen, die ein derartiges Risiko rechtfertigen: die Einführung des Euro beispielsweise, die von den Deutschen über viele Jahre abgelehnt wurde. Oder die Ostpolitik Willy
Brandts, der NATO-Doppelbeschluss und auch die Gurtpflicht. In all diesen Fällen wurde den verantwortlichen Politikern letztlich – allerdings erst nach Jahren – zugestanden, dass es sich um erfolgreiche Reformen gehandelt hat.
Schwieriger ist es, wenn Reformakteure zwar willens, aber nicht fähig sind, zu reagieren. Das ist immer ein Zeichen fehlender Optionen und fehlender Planung im Vorfeld und im Prozess. Das Risiko kann durch strategische Planung minimiert
werden.